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Sonnig, bis 24°, am Schatten kühl
Beim Frühstück treffen wir eine rund 20-köpfige französische Reisegruppe an, die heute abreist, und auf eine Handvoll deutsche Touristen. Mit dem Paar am Nebentisch, es ist aus Regensburg, unterhalten wir uns etwas. Sie wollen heute nach Mosteiros an der Nordküste hinunterwandern, mindestens fünf Stunden und 1700 Meter Höhenunterschied. Für solche Gewaltstouren sind wir nicht mehr zu haben. Wir begnügen uns mit einer Wanderung auf dem Strässchen der Bordeira entlang, dem teilweise fast senkrechten, mehrere hundert Meter hohen, halbkreisförmigen Randgebirge der Caldera. Jetzt bei Tageslicht können wir sehen, wo sich die Casa Marisa befindet. Am Rande, aber voll auf dem Lavastrom vom Dezember 2014. Dass diese vielleicht zehn oder mehr Meter dicke Lava nach über zwei Jahren noch soviel Wärme enthält, ist verblüffend. Auf dem Strässchen erreichen wir nach einem halben Kilometer das Dorf Portela. Oder vielmehr, was davon noch übrig oder schon wieder aufgebaut ist. Was für ein grauslicher Anblick! Schwarze, zackige Gesteinsmassen überall, durchsetzt mit halb zugedeckten Dächern, umgestürzten Mauern, von Lava durchdrungenen Gebäuden wie jenes einst schöne Haus am Abhang, dessen halbe Veranda Opfer der glühenden Flut wurde. Wir staunen über den Mut und die Beharrlichkeit der Menschen hier, sich nicht vertreiben zu lassen, sondern von Neuem beginnen. Wie uns jemand sagte, wolle die Regierung nicht mehr, dass hier Leute wohnten und unterstütze sie darum nicht. Hier liessen sich einst Bauern nieder, weil der Boden in der Caldera sehr fruchtbar ist, und sie wollen das übrig gebliebene Land weiter bebauen. Weitere Bewohner lebten und leben weiterhin vom Tourismus, der allerdings im Vergleich mit den Kanaren äusserst bescheiden ist. Auf einem steilen Pfad können wir, uns vorsichtig über die Lava hinabtastend - ein Sturz hätte böse Verletzungen zur Folge - eine lange, neu über die Lava gebaute Strassenschlaufe abschneiden. Vor uns liegt das ehemalige Strassendorf Bangaeira. Nur noch ein paar helle Dächer und weisse Mauerreste gucken aus der schwarzen Masse; hier müssen sich schreckliche Szenen abgespielt haben in den paar Wochen, die der Ausbruch dauerte und immer neue Lavamassen herabfliessen liess. In die Lava hineingegraben, ein paar Verschläge für Tauben und Hühner, bewacht von einem angeketteten Hund vor seiner behelfsmässigen Hütte. Ein Esel steht an der Sonne, ein grosser Heuvorrat sichert sein Überleben. Dann eine Häusergruppe, die wie durch ein Wunder verschont blieb: Eine Touristenpension, eine Bar, dazwischen blüht ein Strauch mit leuchtend roten Weihnachtssternen.
Irgendwo geht es hinab von der Lava auf das alte gepflasterte Strässchen, dem wir folgen. Rechts fängt der ebenmässige Kegel des fast 3000 Meter hohen Pico unseren Blick ein. Parallel zum Rand der Lava, hier von früheren Ausbrüchen und braun verfärbt, durchwandern wir grüne Felder. Eine Bohnenart wächst an Sträuchern, an terrassierten Hängen gedeihen Reben. Die Route schwenkt nach Osten, wir erreichen einen schmalen Streifen lockeren Waldes. Eukalyptusbäume spenden willkommenen Schatten, auf Trockenmauern ruhen wir uns aus.
Nach fast zwei Stunden erreichen wir eine Schranke und ein Haus. Aus dem ebenerdigen Fenster begrüsst uns ein Mann: Der Parkwächter, der Eintrittskarten für den „Parque Forestal" verkauft, den Waldpark, der hier beginnt. Er kann etwas englisch und freut sich über die Abwechslung, denn hier kommen nicht viele Wanderer vorbei. Wir dürfen gratis ein paar Meter weiter gehen, bis wir durch die Bäume den Küstensaum mit der Brandung sehen können, 1600 Höhenmeter unter uns.
Der Rückweg ist lang und ermüdend, aber es gibt besondere Momente. „Schau mal die kleine Hütte auf Pfählen, wozu dient die wohl?" sagt Margrit. Eine schmale, vielsprossige Leiter führt hinauf. „Die gehört dem Affen, der darunter sitzt", ist meine Antwort. Ach wirklich, sie hat ihn im Schatten nicht gesehen. Er ist angekettet, der Ärmste, und kommt nun hervor, hüpft ein bisschen umher, zeigt uns sein Gebiss mit den Fangzähnen. Zu nahe sollte man ihm wohl nicht kommen.
Bald sind wir wieder bei Portela; der von der Nachmittagssonne angestrahlte Vulkan bietet nun einen viel schöneren Anblick als am Morgen mit der Sonne dahinter. Ich schiesse heute mehrere Dutzend Fotos von all den neuen Motiven. Zurück im Hotel geniessen wir den Mittagsimbiss unter dem Vordach vor unserem Zimmer. Die schwache Brise ist kühl, wir müssen die Jacken überziehen. Ein neu eingetroffener Gast, ein dicker, stiernackiger Mann, der sagt, er sei amerikanischer Russe, behelligt mich mit der Suche nach Partnern für Wanderungen oder Taxifahrten; seine Aufdringlichkeit ist lästig, wir können ihn uns nicht als Begleitung vorstellen und wimmeln ihn ab.
Margrit bestellt zum Abendessen Huhn, das ausgezeichnet schmeckt, wenn auch die darüber gegossene Pilz- und Fruchtmischung zu süss ist. Die sehr freundliche, gut französisch sprechende Kellnerin müssen wir deshalb enttäuschen, als sie uns ein Dessert anbietet.
Unsere Nasenschleimhäute reagieren auf die extrem trockene Luft hier oben; dauernd ist die Nase verstopft, fast wird das Atmen schwer.
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Christel Hoi mitenand, bin gottlob immer noch à jour, d.h. mit dem alten Link funktioniert es bestens, hoffentlich bleibt es so. Es ist für mich fast wie in einem Krimi, zwischendurch habe ich ein bemerkenswertes Magenbrummen, besonders beim Bericht über die Fähre. Ich glaube, ich hätte das nicht ausgehalten. Auch die Anblicke der durch die Lava zerstörten Gebiete und Häuser machen mich übel - bin also für eine solche Reise schlichtweg ungeeignet. Aber ich lese gerne weiter!!!